Marschieren für die Zweisprachigkeit
Wie viel Deutsch muss sein, darf sein? Immer mal wieder erhitzt diese Frage die Gemüter der Elsässer. Nun demonstrieren Eltern für die Beibehaltung des bestehenden bilingualen Unterrichts.
STRASSBURG. Seit Beginn der 90er Jahre steigt der Anteil der Schulklassen mit zweisprachigem, deutsch-französischem Unterricht langsam aber beharrlich an. Doch die Debatte darüber, bis zu welchem Punkt die staatliche, von Paris abhängige Schulbehörde diesen Weg fördern soll, ebbt nicht ab.
Sieben Prozent der Schülerinnen und Schülern nehmen das Programm in Anspruch. 19 000 elsässische Grundschüler besuchen bilinguale Klassen. Das Modell ist teuer und wird quer durch alle Schulformen angeboten.
Was die einen als radikal empfinden, geht den anderen nicht weit genug. Die Elternverbände für die Zweisprachigkeit aber auch viele Politiker aus der Region empfinden die im Frühsommer bekannt gewordenen Pläne der Schulbehörde als Affront: Demnach sollen von 2012 an die Grundschulkinder in den bilingualen Klassen nicht jeweils zwölf Stunden in deutscher und französischer Sprache unterrichtet werden. Der Anteil des Unterrichts in deutscher Sprache soll auf acht Stunden sinken.
Armande Le Pellec Muller, die Leiterin der Schulbehörde, ist überzeugt, vielen Familien auf diese Weise ein besseres Angebot zu machen. Denn das bisherige Modell ist nicht nur teuer, es ist in den Augen vieler Eltern auch elitär. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die zweisprachigen Klassen ein Sammelbecken von Kindern aus gut situierten, bildungsbürgerlichen Haushalten wurden, erläutert Le Pellec Muller. Für ihre Gegner hingegen ist dieser Vorstoß nichts anderes als ein Angriff auf die zweisprachige Kultur im Elsass.
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Allzulange war Deutsch im Elsass verpönt. Vehement und nachhaltig versuchte die Pariser Politik das Nebeneinander der beiden Hochsprachen an den Schulen und des Dialektes im Alltag zu verdrängen. Deshalb marschieren seit Sonntag 50 Unterstützer der Zweisprachigkeit vom nördlichen Rand der Region bei Sarre-Union über Saverne, Wissembourg, Molsheim, Erstein, Straßburg und Sélestat Richtung Süden. Sie wandern für ihre zweisprachige Kultur, für ein Elsass, das weiter Deutsch spricht: “Ferde elsässisch Stolz”, lautet ihr Motto. Am Sonntag wollen sie Colmar erreichen.
“Was uns die Schulbehörde anbietet, ist lediglich ein Minimum”, sagt Andrée Munchenbach, Generalrätin und Gemeinderätin im Straßburger Stadtteil Schiltigheim. “Das können wir nicht akzeptieren.” Munchenbach wirbt wie viele andere in der Region für die Methode des Sprachbades, das nur dann funktioniert, wenn – wie der Name sagt – Kinder so früh wie möglich in maximalen Kontakt mit einer zweiten Sprache kommen. Je mehr man vom bisherigen Pensum abrücke, sagt sie, desto geringer der Effekt. Für Munchenbach und ihre Mitstreiter etwa vom Verein “Culture et bilinguisme” ist das bisherige Modell nicht verhandelbar. Zudem hätten sich sowohl die Region als auch die beiden Départements vertraglich bis 2013 an die Förderung des zweisprachigen Unterrichts mit jeweils zwölf Stunden Sprachanteil gebunden.